Samstag, 3. März 2012


Beginnen wir das unsinnige Unterfangen, an drei Reiseberichten parallel zu schreiben, weil die alten nach wie vor nicht vollendet sind. Sollten die Informationen inkonsistent sein, Zeit und Raum durcheinanderhauen oder schlicht und einfach verwirrend geschrieben sein - ihr kennt jetzt den Grund.

Leider muss man sich für das Texteschreiben jeweils Zeit nehmen. Ich habe freie Zeit zum Einteilen, aber die verbringe ich meist anderweitig. Und habe natürlich ein schlechtes Gewissen, dass meine Leserschaft (kann man bei zwei oder drei Lesern eigentlich von diesem hochtrabenden Wort sprechen?) so schändlich von mir vernachlässigt wird.
Genug geschwafelt, auf geht's mit Gebrüll!

Versetzen wir uns gedanklich alle in die Nacht vom 19. auf den 20. Februar. Ein Mitglied unserer Reisegruppe war leider kurzfristig abgesprungen, was eine klaffende Lücke in unserem 5-Personen-Mietauto hinterließ und damit zugleich ein schmerzhaftes Loch in unsere Geldbeutel zu reißen drohte. Um ein Uhr des Nachts ein letzter Versuch über Facebook: "Hat jemand Lust in acht Stunden am Flughafen zu sein, um das Mietauto mit abzuholen?" Verrückterweise haben sogar zwei Personen zugesagt. Den Zuschlag bekam eine Mexikanerin.

Ein Glücksfall. Durch den spanischsprachigen Input war sichergestellt, dass die Sprachfaulheit der drei zusätzlich mitreisenden Brasilianer zurückgedrängt wurde und wir fast ausschließlich in unserer gemeinsamen Verständigungssprachen kommunizierten - dem holden Spanisch!

Auf los geht's los!
 
Also Mietauto abgeholt, losgefahren, angekommen, Córdoba angeschaut. Nun gut, vielleicht darf man doch noch einige Zeilen über Córdoba verlieren. Es ist nämlich wahrhaftig eine schöne Stadt. Sie liegt auf halbem Wege zwischen Sevilla und Granada, unserem endgültigen Reiseziel. Die Mexikanerin, die bereits einmal das Vergnügen hatte die Bekanntschaft von Córdoba zu machen, teilte uns schon auf dem Weg im Auto mit, dass Granada sehr gut in einem Nachmittag abzu-touristen ist. "Da gibt es doch nur die Kathedrale" hatte auch ich schon vorher einmal in Sevilla gehört.

Das stimmt nicht. Córdoba hat auch Straßen, Plätze und Souvenirgeschäfte. Und das alles in einer sehr ansehnlichen Anordnung. Es ist jedoch richtig, dass so wirklich erinnerungsreif nur die erwähnte Kathedrale ist.
Dieses Gotteshaus wird auch oft als Mezquita bezeichnet. Mit gutem Grund. Errichtet wurde sie nämlich von den Arabern im 12. oder 13. Jahrhundert. Als Moschee. Zu Spanisch: Mezquita.
Durch diese Vaterschaft hat die Kathedrale ein angenehm anderes Aussehen. Sie ist sehr sehr groß und kann am ehesten mit dem Begriff "dunkler Säulenwald" zusammengefasst werden. Insgesamt gibt es über 800 Säulen. Wen das nicht beeindruckt, der sollte mal vorbeifahren und sich vom Gegenteil überzeugen. Ein Großteil der Moschee war ein einziger, ungetrennter, riesiger Gebetsraum. Es würde mich reizen, viele Jahrhunderte zurückzureisen, etwa zur Zeit des vorletzten Milleniums, und einer Gebetsstunde als stiller Beobachter beiwohnen. Ob die Muslime damals vor dem Jahrtausendwechsel auch so eine Panik geschoben haben, wie die Berichterstatter in unseren Medien vor 12 Jahren? Und allem Weltuntergangsgerede zum Trotz sind dann nicht einmal ein paar Ampeln ausgefallen. Weder bei uns, noch im Arabischen Reich des 10./11. Jahrhunderts.

Leider gibt es etwas, was das perfekte Stützenbiotop aus dem Gleichgewicht bringt: Ein spanischer Bischof kam vor Urzeiten einmal auf die allah-lästerliche Idee einfach das Herz der Mezquita - die mittlerweile zwangschristianisiert worden war - herauszureißen und an dessen Statt einen monumental großen neuen Mittelteil einzubauen. Zugegeben: das sieht schon ganz geil aus. Aber es ist letztendlich für einen Laien wie mich ja doch nur eine minimale Abwandlung dessen, was wir bereits in einer Million anderen Kirchen und Kathedralen auf dieser Welt gesehen haben. Außerdem passen die beiden Teile etwa so gut zusammen wie die hypothetische Idee eines fünf-jährigen Lego-Begeisterten auf seine mittelalterliche Burg einen Podracer von Starwars draufzumontieren. Oder die Idee eines Verlegers in einen Weltklassiker wie in Miguel Cervantes' Bücher über die Abenteuer des Don Quijote ein Kapitel von der wort- und bildreichen Charlotte Roche einzubauen.

Ich übertreibe. Aber selbst der damalige König Karl V., dessen Reich nach der Entdeckung Indiens durch Kolumbus (auch wenn einige tollkühne Historiker ja behaupten, es wäre gar nicht Indien gewesen, sondern ein neuer Kontinent...alles Verschwörungstheorien, wenn ihr mich fragt) niemals unterging, soll sinngemäß gesagt haben:
"Ihr habt etwas Einmaliges in der Welt zerstört um an seine Stelle etwas zu setzen, dass es schon in vielfacher Form gibt."
KK5 - wir haben einen gemeinsamen Standpunkt.

Bilder aus der Kathedrale:




 Der Mittelteil der Kathedrale (leider nicht vollständig abgebildet):

Zwei weitere Bilderchen:
Kurz nach dem Festhalten dieses Bildes sahen wir das exakt selbe Motiv noch einmal auf Postkarten. Wenn auch besser in Szene gesetzt ;)

Die berühmte Cordobaner Sehenswürdigkeit namens ... "Irgend-So-Ein-Tor"



Fazit. Córdoba ist lohnenswert, aber nur wenn man sowieso gerade auf der Durchreise ist. Im Osten gibt es da ein Städtchen namens Sevilla, was ich dem werten Reisenden wärmstens empfehlen kann. Wer das aber schon kennt, der muss nach...

...Granada!

Granada ist für Studenten ein Traum. Auf 230000 Einwohner kommen 80000 Studenten. Auf so eine Quote kommen nur wenige Städte. Dresden hat vergleichsweise vielleicht etwa eine Quote von 1:10, Berlin rangiert in der Studentendichte noch niedriger.
Wie also das demographische Bild der Stadt aussieht, ist selbsterklärend: Jeder Winkel der Stadt ist ein Ballungraum junger Menschen, spelunkiger Bierausschänke und wahnsinnig günstiger Tapas-Bars.

Eher unerwartet ist daher, dass Granada auf Grund der historischen und kulturellen Wichtigkeit zugleich DAS Must-See von Andalusien ist – neben Sevilla, das man als Bündelung aller südspanischen Eigenschaften verstehen darf. Soweit ich mich recht entsinne, meinte meine liebe Großmutter sogar, man wäre nicht in Andalusien gewesen, falls man den Besuch Granadas auslässt. In dieses Bild passt, was gleich mehrere Erasmus-Bekannte in Sevilla meinten: eine der Sehenswürdigkeiten Granadas, die Alhambra, sei das beeindruckendste, das sie jemals gesehen hätten.

Springen wir also sofort zu dem Besuch dieses beeindruckenden Baukomplexes. Die Alhambra ist eine Art Stadtfestung, die von den Arabern errichtet wurde. Wirklich bedeutend wurde sie zu dem Zeitpunkt, in dem die Araber ihren Regierungssitz nach Granada verlegten. Dies geschah im 13. Jahrhundert. Das sogenannte Emirat von Granada wurde in den folgenden zwei Jahrhunderten zur letzten Bastion der Araber auf der Iberischen Halbinsel, bevor sie im Jahre 1492 von den heroischen katholischen Spaniern endgültig aus "al-Andalus" (was in Reiseführern mit "Paradies" übersetzt wird) vertrieben wurden.

Der Eintritt ist mit 13€ zwar relativ deftig, aber im Gegenzug bekommt man auch eine eigene kleine Welt geboten, in der man sich locker einen ganzen Tag aufhalten kann ohne sich zu langweilen. Vom Eingang aus sollte man beispielsweise etwa 20 Minuten einplanen um zu Fuß zum Herzstück der Alhambra zu gelangen: den Nasriden-Palästen. Und dann hat man nur eine der vielen möglichen Richtungen eingeschlagen. Unterwegs in der Alhambra stößt man auf: schöne Gärten, viele dem Medium Wasser huldigende Anlagen, verschiedene Museen, einen Sack voll arabischer Kultur und wunderwunderschöne Ausblicke über die ganze Stadt. Letzteres verdankt die Alhambra dem Fakt, dass Granada in einem sehr gebirgigen Gebiet am Fuße der Sierra Nevada liegt.
Zusammenfassung: Allein für die Alhambra lohnt es sich nach Granada zu kommen.

Um das Ganze zu visualisieren:













 

Nach etwa vier bis fünf Stunden zufriedenen Besuchs machten wir uns im Auto auf in die Sierra Nevada. Diese Sierra beherbergt den Mulhacén, der mit fast 3500m der höchste Berg des spanischen Festlandes ist. Während wir die Schlängelstraßen hochfuhren, wurde ich sehr an das Altas-Gebirge in Marokko erinnert. In jeder Himmelsrichtung hat man bezaubernde Aussichten und man kommt leicht ins Träumen.
Wir folgten der Straße ohne ein bestimmtes Ziel und landeten dann letztendlich in einer Sackgasse...einer recht weißen Sackgasse. Denn auch in Südspanien schnallen sich Menschen Bretter unter die Füße und rutschen damit beschneite Abhänge hinab.








Im Anschluss an den Besuch dieses Skigebiets fuhren wir wieder in die Stadt zurück und wechselten die Herberge.

Ursprünglich in dem Glauben nach Granada gekommen, wir könnten eventuell bei Bekannten der Brasilianer übernachten, hatten wir uns im Vorhinein nicht über Schlafgelegenheiten informiert. Just am Montag angekommen, stiefelten wir also in die erste Herberge. 50€ für 3 Personen. Da die Mädels keine Lust hatten, noch ewig weiterzusuchen, blieben wir hier. Vollkommen überteuert, wenn ihr mich fragt. Am nächsten Tag suchten wir uns das Hostel "Funky Granada", indem wir 10€ inkl. Frühstück, verschiedenen Stadtführungen, netten Leuten, einem Bar-Aufenthaltsraum und einer Gemeinschafts-Gitarre. Was will man mehr?

Anschließend machten wir uns wieder auf den Weg, um die unglaublich günstige Tapas-Kultur von Granada auszukosten. Für die Entstehung der Tapas gibt es ja zwei Legenden. Die erste lautet, dass sich die Bauern Spaniens in einem bestimmten Jahr zur Mittagspause kein Essen mehr leisten konnten. Weil das Geld für flüssiges Brot aber immer noch ausreichte, führte das allmittägliche Besäufnis dazu, dass die Produktivität der Bauern stark nachließ. Deswegen gab der König die Anweisung, zu jedem servierten Getränk auch einen Tapas dazuzugeben, denn mit vollem Magen ist man dem Alkohol gegenüber widerstandsfähiger.
Die zweite Legende erzählt, dass eines Tages Alfonso, der unglückliche XIII., in einer Stadt in Spanien einmal ein Bier trank. Weil eine Fliege den Wunsch verspürte im hefigen Nass zu baden, brachte ihm der Restaurant-Chef ein neues Bier, diesmal allerdings mit einem kleinen Tellerchen bedeckt. Damit dies nicht zu öde aussah, packte er auf das Tellerchen noch etwas zu essen drauf.

Wie dem auch sei: in Granada bezahlt man sein Bier, seinen Sangria oder Wein und bekommt dann "kostenlos" Tapas dazu. Zum Teil waren die Preise tatsächlich erstaunlich. In einem Restaurant bezahlten wir für das kleine Bier 1,70€, bekamen dann aber auch stolze 3 Tapas dazu geliefert. Und ich rede nicht von irgendwelchen billigen Salaten. Es wurde tatsächlich leckeres Fleisch in einer passenden Soße serviert. Dazu gab es auf einem anderen Teller Rosmarin-Kartoffeln, sowie einen Tunfisch-Champignons-Mix. In einer anderen Bar, die sowohl vegetarisch als auch ein wenig unorganisiert war, bezahlte man gar nur 1,40€ für das Bier. Der dazu servierte Tapas war äußerst wohlschmeckend.
Man kann in der Tat in Granada problemlos für etwa 5€ sich richtig satt essen und bekommt dann noch 3 Bier dazu serviert. Unschlagbar!

Ein flüchtiges Bild, in dem ein Saxofon-Spieler von einem kleinen Mädchen mit einer Plastik-Flöte beobachtet wird. Niedlich.




Leider habe ich noch nicht alles in Granada gesehen. Es warten noch ein ursprünglich maurisches Viertel auf mich, das Albaicin, und eine Stadtführung. Deswegen werde ich aller Voraussicht nach noch mal Anfang/Mitte März mit Stefan, der mich in Sevilla besuchen kommt, nach Granada rüberdüsen. Und Tapas essen. Viele Tapas essen!

Bis zum nächsten Artikel.
Marcus