Donnerstag, 13. Oktober 2011

Facebook! Du nie versiegender Quell eitler Oberflächlichkeiten. Du grandiose Möglichkeit zum Null- und Nichtigmachen meiner wertvollen Zeit. Du fabulöses Netzwerk der Unpersönlichkeit. Facebook! Du Datenkrake, du schwarzes Loch der Informationen, du verstopfter Abfluss von all dem, was wir eigentlich nicht mehr in unserem Spülbecken haben wollen. Facebook!

Wer von den etwas betagteren Lesern der Meinung ist, es zeuge von zu wenig Respekt wenn ich Facebook gegenüber das „du“ verwende, der hat den Flow der Zeit noch nicht erkannt. Im Internet haben wir uns lieb, sind alle ein graues Einerlei aus anonymer Haferbrei-Masse und versuchen doch so individuell zu sein. Wir duzen uns nicht nur, wir „yo, Digga, was geht“n uns und schicken uns poetischste, einzeilige/drei-wörtrige, gut gemeinte Geburtstagsgrüße wie „Alles Gute!!! Xxx“.
Genug der halbherzigen Kritik. Facebook und ich haben ein ähnlich pseudo-kritisches Verhältnis wie Marcus und die Umweltverschmutzung – ständig bin ich mental am Lamentieren und doch ändere ich ebenso wenig an meinem Verhalten wie alle anderen auch!

Auslöser? Ich habe jetzt schon von mehreren Personen vernehmen dürfen, ich müsse doch endlich mal mein Profilfoto austauschen. Wer hat HEUTZUTAGE noch ein schlecht beleuchtetes Foto, das den Betreffenden naiv-glücklich mit sich, seiner Webcam und dem neutralen Teil seines unaufgeräumten Zimmers zeigt? Und wenn man keine Einzelfotos hat? Dann nimmt man halt eines mit mehreren Personen, schneidet sein Gesicht in eine schöne Form, lässt ein paar Filter drüber laufen und präsentiert sich als das Sonnenkind dieser Erde.
Das Schlimmste ist, dass ich seitdem ständig den Gedanken habe „Hm, du müsstest eigentlich mal dein Facebook-Foto ändern“. Glücklicherweise war ich bisher immer zu faul um ernsthaft nach einem neuen Foto zu suchen.

Gespräch mit einer Amerikanerin: „Wenn ich das richtig mitbekommen habe, ist Facebook bei euch ein essentieller Bestandteil des sozialen Miteinanders. Viele haben ja deutlich mehr als 500 Freunde. Wie viele hast du eigentlich?“ „Mehr als 1200. Aber ich kenne sie alle. Ich gehe regelmäßig die Geburtstagsliste durch und lösche all jene Namen, die mir im ersten Augenblick nichts sagen. Wie viele Freunde nennst du denn dein Eigen?“ „Vielleicht 150…“ „WAAAS? Aber du kannst doch niemals so wenig Leute kennen!“
Das Schlimmste ist, dass mein Freundescounter sich exponentiell zu einer Zahl hin entwickelt, die nicht unbedingt von ausnahmslos tiefen Freundschaften zeugt. Zumindest wird die Mehrheit dieser Menschen (in ferner Zukunft) nicht in die potenzielle Casting Show „Marcus‘ next Trauzeuge/Trauzeugin“ eingeladen werden.

Bombardiert-Werden mit Informationen. Jener Virus, der sich „Zeittotschlagen“ nennt ist recht pfiffig. Über Facebook hat er viele Wirte, die ihn in die hintersten Winkel der Welt befördern. Das „Sharen“ von Videos, Websites, Songs etc. sorgt für ordentliche Ablenkung. Bisher habe ich mich dem immer größtenteils entzogen.
Das Schlimmste ist, dass ich nun selbst etwas sharen werde. Ich fand den Film „Pina“ nämlich außerordentlich genial, da es in meiner Filmkarriere bisher noch nie eine solche Fülle an unterschiedlichen Gefühlen in so kurzer Zeit erleben durfte.

Genug der Tiraden. Ich bin hier, um euch etwas über meine Erlebnisse sowie Land und Leute zu berichten.
Zu meinen Erlebnissen: seit meinem letzten Eintrag haben sich viele erste Male ereignet (http://www.youtube.com/watch?v=obXIGfPXAio). 

Auf ein erstes Mal warte ich jedoch nach wie vor noch – Regen! Zum Donnerwetter – wann bekomme ich denn bitteschön endlich einmal eine Abkühlung? Kein Nieselregen, kein Graupelschauer, kein Wolkenbruch, kein Dauerregen, keine vom Himmel regnende Frösche, kein saurer Regen – nichts! Höchstens einmal wenn das Blumentopfwasser der Nachbarn herunter auf die Straße tropft. Möchte man sich dort glücklich lächelnd berieseln lassen? „Let it rain over me!“ Zur Zeit hilft mir nur die Seite www.rainymood.com. Oder eine Dusche. Aber das ist nicht das gleiche! Glücklicherweise werden wöchentlich sonntags Strandtouren angeboten. Da kann ich dann meinen Körper von „echtem Wasser“ umspülen lassen.

Wo wir gerade beim Thema sind – gestern, den 12.10.2011 war dankenswerterweise ein Feiertag. Da keine Gelegenheit von den Erasmus-Organisationen ungenutzt bleibt, wurde etwas angeboten. Was wohl? Eine Strandtour! Wunderbar. Da ich sowieso keine anderen Pläne hatte, habe ich die 13 Euro guten Herzens investiert.
Nun denn, Dienstagabend. Marcus, morgen früh um 7.30 Uhr aufstehen um zum Strand zu fahren. Ruhigen Abend verbringen! Also in eine Bar. „Am Torre del Oro gibt’s eine Botellón. Lass uns doch da hingehen!“ Nichts Böses ahnend mitgegangen. Sozialisiert. Festgestellt, dass es fast nur Spanier dort gab. Erasmus-Studenten in Minderheit. I like! „Tienes que probarlo!“. „Aquí es otra bebida.“ Gegen 3.30 Uhr festgestellt, dass der Antritt der Heimreise angebracht wäre. Um 4.40 Uhr letztes Mal sichergestellt, dass der Wecker auch sicher klingen wird. Um 10.30 Uhr von Mitbewohner geweckt. Der despertador verweilt in meiner Hand. Bullocks!
Soviel zur ständig überschätzten Selbstdisziplin. Der Abend am „Torre“ hat sich vollständig gelohnt. Aber ich hätte schon gerne im Atlantik geplanscht.

Wo wir gerade vom Thema abgekommen sind: wir waren bei den ersten Malen. Am Samstag war ich erstmalig in einem spanischen Kino. Und ich denke es ist ebenso neu, dass ich von einem Film ohne Handlung so restlos begeistert bin. „Pina“ ist letztendlich nur eine Aneinanderreihung von unterschiedlichen Szenen aus Theaterstücken. Mal sind die Szenen 30 Sekunden lang, mal 5 Minuten. Und mittendrin gibt es immer mal wieder kurze Interviews. Die Art und Weise des Tanztheaters, die Umsetzung von menschlichen Emotionen, die Intensität – alles ist unglaublich gut umgesetzt. Große Empfehlung. Wir haben den Film in 3D gesehen. Eigentlich bin ich nicht der größte aficionado von 3D. Meiner Erfahrung nach gibt es dem Kinoerlebnis nicht viel mehr als einen etwas leichteren Geldbeutel. Nichtsdestotrotz hat man sich dadurch ein kleines bisschen mehr als Theaterbesucher gefühlt.

Am Sonntag bin ich la primera vez bereits um 6.30 Uhr aufgestanden. Um in der Tat erstmalig in meinem Leben zu einem großen Flohmarkt zu gehen. Vor Ort wird er meist als ein Zigeuner-Markt bezeichnet. Was es da alles für einen Müll zu kaufen gibt, Wahnsinn! Ich habe mich gegenüber den verrosteten Werkzeugen, dem improvisierten Friseur und den Pornofilm-Ständchen unbeeindruckt gezeigt und habe zielstrebig nach einem geeigneten Fahrrad geschaut. Begleitet wurde ich durch meinen Mitbewohner und drei Bekannten aus Italien. Mit unserem gesteckten Budget (etwa 30 Euro) war es gar nicht so einfach ein passendes Gefährt zu finden. Nach einigem Suchen und noch einigerem Verhandeln hielt ich dann mein eigenes Fahrrad in den Händen. Welch Triumph-Gefühl!

For the first time I could return back home with my own bike! Den Sonntag habe ich – in alter Tradition – mit meinem Mitbewohner und den Mädels aus Polen verbracht. Diesmal sind wir in einen etwas weiter abgelegenen Ort mit dem Bus gefahren. Alcalá hat eine verlassene, aber teils erhaltene römische Festung zu bieten (ein „castillo“), einen langen unbeleuchteten unasphaltierten Tunnel, der nichts mit nichts verbindet, und einen wunderschönen Park.
Eine freundschaftliche „Rangelei“ zwischen meinem Mitbewohner und einer Polin führte dazu, dass Paulo mitsamt Rucksack, Handy, Kleidung und sonstigen Habseligkeiten in den "Ententeich" fiel. Ich entschuldige – eigentlich gab es auf dem Teich nur Schwäne. Pudelnass stieg er aus dem nach Schwan riechenden Teich, während wir anderen uns ein lautstarkes Lachen nicht verkneifen konnten. Jedoch – schade ums Handy!
Das Ende vom Lied war unerwarteterweise, dass Paulo zusammen mit zweien der Polinnen im Teich gebadet hat. Ohne versehentliches Hereinfallen. Pure Absicht! Ich hatte die Aufgabe, das Ganze dokumentarisch festzuhalten. Somit war es auch der erste Tag, an dem ich endlich mal selbst ein paar mehr Erinnerungen auf den Speicher-Chip gepresst habe. Ich bin leider üblicherweise sehr Foto-faul. Das schönste Motiv habe ich glatt mal hochgeladen. Es scheint, als würden die drei auf dem Wasser schweben!



Am Montag hätte ich das erste Mal pünktlich in der Uni sein können. Leider stellte ich fest, dass die Schlüssel für das eben gekaufte Schloss direkt am selbigen befestigt waren und ohne Schere nicht entfernt werden konnten. Dadurch gab es dann doch noch die entscheidende Verzögerung.

Am Dienstag Premiere – pünktlich in der Uni dank eigenem Fahrrad! Auf dem Rückweg ebenfalls ein Novum. Marcus‘ erste Fahrrad-Kollision mit einem Auto. Herzlichen Glückwunsch! Fahrrad-Ampel grün, richtige Seite, verhältnismäßige Geschwindigkeit – und das Auto biegt ohne zu schauen oder gar anzuhalten rechts ab. Nun ist mein Fahrrad ganz lustig deformiert. Fast schon kunstvoll. Mir ist bei dem Spaß gar nichts passiert. Letztendlich bin ich dem Auto auch „nur“ mit relativ langsamer Geschwindigkeit in die Seite reingefahren. Aber ärgerlich ist das Ganze trotzdem.

Ich denke das reicht erst einmal. Beim nächsten Mal werde ich wieder mehr zum Thema Land und Leute schreiben, versprochen! Freut euch auf Eindrücke aus Marokko. Da geht es nämlich für mich ab morgen hin!

Bis bald,
Marcus

Update: Ich habe jetzt DOCH ein neues Foto bei Facebook hochgeladen. Aus einem anderen Bild ausgeschnitten – und es mutet einfach nur bescheuert an. Inklusive einer Hand aus dem Nichts. Ich werde wohl in Marokko viele Fotos schießen müssen und damit sowohl Bildmaterial für diesen tristen Blog als auch Fotos meiner Selbst für die Ewigkeit haben. Grandios! Danke, Facebook!

1 Kommentar:

  1. Schöner Artikel, Marcus!
    Besonders interessant fand ich deine kritische Haltung FB gegenüber. Ansonsten fiel es mir nicht leicht deinen Gedanken zu folgen (zu kurze Notizen, aber ich weiß ja wie das ist, wenn man möglichst viele Eindrücke unterbringen möchte) :)

    Liebe Grüße aus Budapest und genieß dein Auslandssemester!!!

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