Samstag, 26. November 2011

Spätestens mit dem zurückliegenden Wochenende vom 12.11. bis zum 14.11. darf man mich mit gutem Recht als verwöhnt bezeichnen. Schließlich habe ich schon wieder "Urlaub" gemacht, nachdem ich bereits in der vorangegangenen Woche Barcelona unsicher gemacht habe.
Diesmal durfte Lissabon meine Anwesenheit ertragen. Im Gegensatz zu Barcelona waren wir diesmal allerdings eine deutlich größere Truppe. Mit einem Polen, drei Polinnen, zwei Italienerinnen, einem Chilenen, einem Deutschen, einer Österreicherin und einem Amerikaner warteten auf Interessierte mit der Frage "So where are you from?" meist eine längere Antwort als beabsichtigt.

unsere Reisetruppe
Das Zustandekommen der Fahrt zeigt einmal mehr, dass es sich lohnt kommunikativ und spontan zu sein. Wir (meine Reise-Italienerin; siehe Barcelona; sowie mein Amerikaner; siehe im nach wie vor nicht vorhandenen
Marokko-Artikel :) ) hatten am Dienstag die Idee begraben nach Lissabon zu reisen. Just an diesem Tage habe ich eine Österreicherin getroffen, mit der ich über das Reisen sprach. Es stellte sich heraus, dass sie mit FreundInnen ironischerweise gleichzeitig am Vorbereiten eines Lissabon-Wochenendes war. Und - fast schicksalshaft - waren noch Plätze frei, die ich schnell mit meiner Wenigkeit und zwei Freunden (dem Amerikaner und der Italienerin) besetzte.

In dieser illustren Runde begannen wir am Samstag die Reise in zwei Mietautos. Diese hatten einen Basispreis, bei dem man eigentlich nur an Dumping denken kann: 25€! Mit den Zusatzkosten für die unter-25-jährigen Fahrer, dem besten Versicherungsschutz und sonstigen Späßen waren wir nichtsdestotrotz nur bei etwas mehr als 15€ pro Person. Von Samstag- bis Dienstagmorgen!
Bei diesen Nebenkosten erscheinen viele andere Transportvarianten für bestimmte Ausflüge (mit verhältnismäßig wenig Kilometern, aber vielen Zwischenstopps) angesichts der verbesserten Mobilität auf einmal recht unattraktiv.

Faro ist ein kleiner Ort an der Südküste Portugals, die den Sonnenanbetern unter euch wohl eher als "Algarve" bekannt ist. Auf unserer Fahrt nach Lissabon entschieden wir uns hier für einen Zwischenstopp.
Beschaulich ist der Ort zweifelsohne. Nun weiß ich jedoch wahrlich nicht ob es an uns lag oder an der eher touristenunfreundlichen Jahreszeit: Trotz bester Samstagszeit und bestem Wetter mangelte es an Menschen. Mir kam die Stadt ein wenig wie eine Geisterstadt vor. Weniger wie eine aus der Goldgräberregion in den USA. Dort gibt es ja tatsächlich ganze Orte, in denen niemand mehr wohnt. Allerdings wirkte sie wie ein süßes, kleines Küstenstädtchen, das irgendwann aus welch Gründen auch immer leergefegt wurde. Dazu trug bei, dass so gut wie alle Fensterläden zugesperrt waren und es viele renovierungsbedürftige Häuser gab.


Als wir an einem der letzteren vorbeikamen, erfuhren wir, dass der leibhaftige Casanova in unserer Reisegruppe mitgereist war. Als wir nämlich an einem kleinen Gehöft vorbeikamen, wurde unser Chilene magisch vor ein Schild gezogen, dass ihn als rechtmäßigen Besitzer kennzeichnete. Unsere Mädels wurden durch eine unsichtbare Hand geleitet in seine Richtung befördert, ohne sich gegen diesen Impuls wehren zu können. Welch Leben!



Lissabon hat einen ganz eigenen Charme. Zwar hat es weniger Must-See-Sehenswürdigkeiten als Barcelona, aber dafür ist die Lage der Stadt relativ ungewöhnlich. Es ist nicht nur die westlichste Großstadt Europas, sondern zudem die einzige westeuropäische Hauptstadt, die am Ozean liegt. Hinzu kommt, dass Portugal nur für jene Fahrradfahrer geeignet ist, die zumindest schon einmal im Besitz des gelben Trikots haben. Man sagt nämlich, dass die Stadt auf sieben Hügeln erbaut ist. Dementsprechend geben alle möglichen Aussichtspunkte (portugiesisch: miradour) wunderschöne Blicke auf die gesamte Stadt preis.

Das Lissaboner Nachtleben spielt sich in außerordentlich engen Gassen ab und besteht aus einem recht großen Barviertel. Bei der kostenlosen Stadtführung von Panchotours erfuhren wir, dass die Leute hier selbst im Winter ohne Pullover auskommen. Das liegt nicht etwa daran, dass die Temperaturen nicht auch einmal den einstelligen Zahlen zustreben. Noch viel weniger liegt es an einer vermuteten Wärmeresistenz der Lissaboner. Alle Südländer würden angesichts ihrer Frösteligkeit jeden Warmduscher Deutschlands cool aussehen lassen. Es ist jedoch so, dass in den engen Straßen so viele Menschen seien, dass die alleinige Präsenz anderer Körper für eine spürbare Erhöhung der Umgebungstemperatur sorgte. Strecke man die Hand aus der Menge, dann solle man sich lieber einen Handschuh anziehen, weil die Gradzahl spürbar abnähme.
Ob das Ganze stimmt, kann ich euch leider nicht sagen. Auf jeden Fall würde ich mich als 1,90m-Mensch durchgängig benachteiligt fühlen. Während meine Ohren einen Heldentod stürben, kuschelte der Großteil meiner Mitmenschen wohlig in der Menschenmasse. 

Ein weiterer Bar-Area-Fakt: man sollte sich zum frühen Morgen hin eher in einer hochgelegenen Bar befinden. Die Steigung führt nämlich zu einem unangenehmen Gravitationseffekt, bei dem die (meist männlichen) Bedürfnisse zu regelrechen kleinen Bächen (wenn nicht gar Kanalsystemen) führen. Der Effekt soll durchaus riechbar sein. Auch dies kann ich nicht mit eigenen Erfahrungen belegen!

So haben wir also den ersten Abend streunernd in der Lissaboner Nachtgegend verbracht. An einem zentralen Monument, trainierten wir unsere Gesichtsmuskeln darauf, Emotionen darzustellen. Ob wir dabei erfolgreich waren? Nun, es gibt viele Fotos. Hier nur ein Ausschnitt.

Einige Sekunden nachdem wir entdeckten, dass das Hopfengetränk auch in Spanien bekannt ist.

Das sieht stark nach der Zentripetalkraft aus, die man im Karussell erlebt.
 

Freestyle
Auf unserem Weg durch die Nacht kamen wir auch an einem Teil DES Wahrzeichen Lissabons vorbei - der schon 100 Lenze zählenden Straßenbahn. Da ich es leider nie lassen kann ein bekletterbares Objekt auszulassen, hat mich meine Neugier auch in diesem Falle nach oben getragen:

Auch als Sänger habe ich die höchsten Höhen musikalischer Töne erklommen:


Am nächsten Tag (dem Sonntag) erkundeten wir die Stadt. Eigentlich hatten wir an der kostenlosen Stadtführung teilnehmen wollen, die dann aber unter anderem an der üblichen mangelhaften Gruppendynamik gescheitert ist. Eine Erwachsenengruppe von zehn Menschen ist deutlich schwerer zu führen als eine Kindergartentruppe mit 50 Quenglern! Das Mitnehmen einer vernünftigen Karte, um rechtzeitig zum Bestimmungsort zu kommen, hätte auch geholfen.
Man muss dies jedoch fast als Glück bezeichnen. Sämtliche von der UNESCO geschützten Weltkultur-Gebäude ("sämtlich" heißt in meinem Neusprech: zwei) waren kostenlos. Dazu gehören ein ehemaliges Kloster, Jeronimo's Monastery, und ein alter Turm, der Belem Tower.
Jeronimo's Monastery
Auf dem Weg vom einen zum anderen haben wir wieder unsere schauspielerischen Fähigkeiten bemüht. Wer stellt wohl wen dar?

Der Belem-Turm wurde bereits im 15. Jahrhundert direkt am Ufer errichtet...
... und führt über enge Gänge...
...nach oben zu einer schönen Aussicht:

Hernach besichtigten wir ein Museum of (mostly Modern) Art - Museu Coleccao Berardo. Hierbei beeindruckte mich eine Ausstellung sehr, auch wenn ich ja bekanntermaßen für Kunst nicht immer viel übrig habe. Es handelte sich um einen Künstler namens Vik Muniz, der typischerweise Alltagsgegenstände so arrangiert, dass sie neue Bilder ergeben. Klingt wie kalter Kaffee? Fahrt nach Lissabon und schaut euch an, was für zauberbare und wunderhafte neue Dinge er aus Schrottmüll, Kaviar und Sand erschafft.
 
Von allen Lissabonkennern wurde mir nahegelegt, den "Fado" nicht zu verpassen. Hierbei handelt es sich um einen traditionellen Gesang, den es eigentlich nur in Portugal gibt. Der Gesang handelt üblicherweise von den Leiden des portugiesischen Volkes - Liebeskummer und Weltschmerz vereint zu einer Musik, die die Gefühle in den Vordergrund stellt. Mit dem Export hatten die Portugiesen dabei weit weniger Erfolg als zum Beispiel die Spanier mit dem Flamenco oder die Deutschen mit dem Automobil.
Schön wars - aber Flamenco ist besser!
Am Montagnachmittag haben wir uns nach der Stadtführung relativ spontan dazu entschieden, nach Sintra zu fahren. Unser Guide hatte uns nämlich durch die Aussage, dass "viele Lissabon-Touristen Sintra als eine ganz andere Welt" bezeichnen würden, neugierig gemacht.

Wir sind in Sintra erst gegen 18 Uhr angekommen. Die Tatsache, dass uns dadurch wenig Zeit mit Tageslicht verblieb war nicht wirklich ein Problem. Dieser kleine beschauliche Ort ist wahrhaft schön und dies wurde durch das dämmernde Licht nur noch mehr verstärkt. Fernab eines Großstadt-Dschungels kann man hier sehr gut träumen. Für mich, der ich die vorigen Wochen sehr viel Stadtgrau gesehen hatte, war es eine erholsame Abwechslung Zeit in Sintra zu verbringen. Anschließend ein paar Bilder.

Stadtzentrum


Fast-die-Niagarafälle
der Fels in der Brandung
wunderschönes Anwesen (wenn auch das Bild das nicht wiedergeben kann)

Blick über Sintra


Nach einigen Problemen auf der Rückfahrt - erwähnte ich schon, dass die Straßenführung von Portugal besch..eiden ist? - sind wir Montagnacht gegen 2 Uhr wieder angekommen. Die Tour war nicht nur wunderschön, sondern wir haben auch entgegen meiner Erwartung sehr viel von der Stadt mitgenommen und haben wenige der Attraktionen ausgelassen. Zehn Leute sind zwar wahrhaftig viele, aber die Gruppenzusammenstellung war so harmonisch, dass es allen gefallen hat.
Durch die Erbauung in einem solch gebirgigen Gelände direkt am Meer ist Lissabon schon etwas sehr Individuelles und eine kurze Reise hierher kann ich nur empfehlen. Danach sollte man vielleicht nach Andalusien weiterreisen. Sagen wir nach... puuuuh... Sevilla!

Bis demnächst,
Marcus

1 Kommentar:

  1. Hahahaha I looooooove the pictures! :) Next time you're travelling I want to join you!
    x Floor

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