Dienstag, 21. August 2012

Rio de Janeiro

31.07.-06.08.

Kurz und knapp gesagt – Rio ist großartig! Es ist die einzige Stadt meiner gesamten Reise in der ich fast eine gesamte Woche verbracht habe und ich hätte sehr gerne noch weitere Tage drangehangen. Rio ist eine der wenigen Städte auf dieser Welt, die ALLES hat, was eine vernünftige Metropole auszeichnet. Das wird einem jeder Reisende und auch jeder Brasilianer bestätigen – Rio ist unschlagbar die Nummer-1-Stadt Brasiliens, wenn man auf der Suche nach einem abwechslungsreichen, großen und atmosphärischen Ort ist.

So formvollendet wie Rio hat mich bisher noch keine Stadt überzeugt. Rio hat wunderschöne Strände (ich wiederhole: das ist fast überall in Brasilien der Fall), Rio hat Kunst&Kultur, Rio hat ein verrücktes sich auf den Straßen abspielendes Nachtleben, Rio ist umgeben von einer superschönen Landschaft, Rio bietet Dutzende Möglichkeiten für Wanderungen, Rio ist international (viele hier sprechen sogar Englisch, was schon einmal ein Pluspunkt gegenüber Sevilla ist), Rio hat beeindruckend hohe Wolkenkratzer als Geschäftsräume und beeindruckend aus dem Bild fallende Favelas, Rio ist studentisch und zuallerletzt – Rio beherbergt laut der meisten männlichen Brasilianer die verrücktesten und wildesten Frauen. Aber all das kann man mittels eines Besuches wohl am Besten selbst überprüfen. Mich hat Rio jedenfalls von den ersten Stunden an in seinen Bann gezogen.

Die ersten drei Übernachtungen brachte ich in einem schicken Hostel in dem Stadtteil Botafogo zu. Dort lernte ich eine Ingenieurs-Studenten-Gruppe kennen, bestehend aus in Brasilien studierenden Amis und Franzosen. Unsere erste Amtshandlung war eine von mir stark beeinflusste Entscheidung, dass wir zur Jesus-Statue nicht rentner-mäßig in Bussen, sondern auf einem herrlichen Wanderpfad emporschwebten. Gut, streichen wir das letzte Verb und ersetzen es durch „verschwitzt und erschöpft hochkraxelten“. Die fast 40 Meter hohe Jesus-Statue befindet sich auf dem Corcovado, einem 710 Meter hohen Berg, der sich in direkter Nachbarschaft zu verschiedenen Wohngebieten Rios befindet.

Der Corcovado mit der Jesus-Statue (Mitte des Bildes), das Ziel unserer Reise.

Leider war uns das Glück nicht hold. Bei der Ankunft an der Spitze war der Gipfel komplett von einer Wolke verhüllt. Selbst aus 20 Metern Entfernung konnten wir die 40-Meter-Statue nicht erkennen. 
Deswegen rate ich jedem: macht die Wandertour, aber informiert euch vorher über das Wetter des Tages!

Unser Ziel ist die Wolke. Noch sind wir zuversichtlich, dass es wieder aufklaren wird. Das Gebäude im Bild ist in einem schönen Park zum Fuße des Corcovado gelegen und beinhaltet eine kleine Kunstfakultät mit einigen Exponaten sowie Vorlesungsräumen und allem was dazu gehört. So schick sind unsere Maschinenbaugebäude in Dresden nicht. Schade eigentlich!


Park zum Fuß des Corcovado


Da steht´s schwarz auf weiß: 704 Meter wollen zurückgelegt werden.




Der Zug wäre die Rentner-Option gewesen.

Der Lohn für zwei Stunden Schwerstarbeit. Ein Hauch von Nichts.

Danach folgt der Abstieg. Die Wolken verziehen sich langsam.

Wir wurden jedoch entschädigt. Ein paar Hundert Meter weiter unten befand sich eine märchenhafte Aussichtsplattform, die einen Blick auf die gesamte Stadt gewährleistete.






Des Nachts machten wir etwas typisch Brasilianisches: Wir schmissen den Grill des Hostels an und machten ein so genanntes „Churrasco“: Unterschiedliche Stücken Fleisch werden auf dem Grill gebraten und dann in kleinen Häppchen an alle Anwesenden verteilt. Da man bei der Menge des Fleisches lieber klotzt als kleckert, kommt man auf ein sehr ausgedehntes Abendessen.

Nach dem Churrasco saßen wir noch beieinander, tranken ein paar Bier und unterhielten uns. Uneingeladen gesellte sich ein sehr eigenartiger Kauz dazu. Es war ein Brasilianer, dem ein sehr nahegelegenes Tanz- und Gymnastikstudio. Auch wenn sein Anliegen absolut unverständlich war, machte er uns irgendwann verständlich, dass er wohl auch etwas hätte, mit dem man Klettern lernen könnte. Das weckte meine Lebensgeister und ich erklärte mich mit zwei anderen bereit, die vielleicht 50 Meter mit ihm zu gehen und uns seine Räumlichkeiten zeigen zu lassen. Wie baff war ich, als sich eine bestens ausgestattete Boulder-Halle vor meinen Augen ausbreitete. Vom Bier ermutigt, sprangen wir wie junge Rehe über die dick gepolsterten Matten, versuchten unermüdlich die Überhänge zu erklettern und warfen große Gymnastik-Bälle durch die Gegend. Herrlich! Der Brasilianer ermutigte uns zwar immer, noch ein wenig länger zu bleiben, aber letztlich war er mir sehr suspekt. Er hatte eine unnatürliche Gestik und Mimik. Als verabschiedeten wir uns nach über einer halben Stunde schweren Herzens von ihm (wie Kleinkinder, die sich vom Sandkasten mit ihren besten Freunden verabschieden müssen, weil Mutti dooferweise schon wieder viel früher als alle anderen Müttter das Abendbrot gemacht hat, obwohl das Spielen doch soooo viel Spaß gemacht hatte), versprachen ihm darüber nachzudenken am nächsten Tag kostenpflichtig wieder in die Boulderhalle zurückzukehren und gingen wieder die Stufen zurück zum Hostel hinauf.

Die Intuition war berechtigt. Der Typ kam wieder zurück zum Hostel und streunerte herum. Einer der Amerikaner, der leider etwas gutherzig war, ging dann aus irgendeinem Grund mit ihm mit, damit der Brasilianer ihm noch irgendwelche Musik und später vielleicht eine Bar zeigen könne. Alle anderen aus unserer Gruppe blieben beim Hostel. Es lief dann darauf hinaus, dass der Brasilianer wollte, dass der Amerikaner Kokain von irgendwelchen zwielichtigen Gestalten erwirbt. Letztlich ist alles unglimpflich verlaufen, aber der besagte Amerikaner sollte wohl mal ein wenig an seiner Naivität arbeiten.

Rio bei Dämmerung (Blick vom Hostel)

Die Wanderung des nächsten Tages war deutlich kürzer und leichter, bot jedoch auch tolle Ausblicke. Sie führte zum sogenannten Zuckerhut (pao de acucar).





Danach entspannten wir an einem kleinen und eher unbekannten Strand, der zum Fuß des Zuckerhuts liegt.

Am selben Abend nahmen wir das erste Mal das Rio-Nachtleben in Angriff. Das bekannteste Viertel hierfür nennt sich Lapa. Wir begaben als große Hostel-Gruppe als erstes zu den berüchtigten bunten Stufen von Lapa, die ein farbenfrohes Exemplar für die Lebendigkeit der Architektur von Rio sind. Dort schlürften wir für weniger als 1,50 Euro unsere Caipirinhas und fühlten uns wohl bei fabelhafter Live-Gitarren-Musik. Später kamen wir in den Genuss eines noch größeren Klangwunders: ein paar verrückt angezogene Jungs spielten eine Musik-Mischung, die mich musikalisch so sehr faszinierte, wie schon lange keine Band es geschafft hat. Sie kombinierten einen Bass, ein Schlagzeug mit einem Beatboxer und einem Violinisten. Es ist kaum zu glauben, dass all dies tatsächlich zusammenpasste wie von einem großen Komponisten zusammengestellt.

Auch in den nächsten zwei Nächten pilgerte ich noch einmal nach Lapa, diesmal jedoch mit meinen Couchsurfing-Hosts. Ich hätte nämlich mit den vier Jungs Otavio, Kelligton, Gabriel und Luis eine hochkommunikative und unternehmungsfreudige WG mitten im Herzen von Rio gefunden. Sie nahmen mich sowohl auf Studentenpartys mit, als auch auf echt brasilianische Samba-Partys, mit Original Carioca-Flirttipps (Carioca ist die Bezeichnung für eine aus Rio stammende Person). Ich habe die Zeit mit den Jungs sehr genossen, weil sie immer gut gelaunt und unternehmungslustig waren. Zusammen hatten sie schon die wahnsinnige Anzahl von mehr als 150 Couchsurfern aufgenommen! Unglaublich.
Die obligatorische Zubereitung von Caipirinhas vor dem Weggehen.


Am Sonntag, einen Tag vor meiner Abreise, setzte ich dann etwas um, dass ich schon länger vorhatte. Ich pilgerte nur mit einer Kamera, zwei/drei Euro und einer Stadtkarte los, um Rio aus nächster Nähe kennenzulernen. Bis dahin hatte ich viele der Wege durch die Stadt eher mit öffentlichen Transportmitteln zurückgelegt.
Von der Bleibe bei meinen Couchsurfing-Hosts sah es nicht sonderlich weit bis zum "Centro" aus. Bei dieser Annahme hatte ich aber mal wieder ganz schön ins Klo gegriffen. Nicht nur war es eine ganze Ecke, aber ich kam auch an einigen extrem heruntergekommenen Orten vorbei. Da war ich wohl, ohne es zu wollen, mutterseelenallein in die Randgebiete einer Favela gestolpert. Passiert ist nichts, aber ich hatte ja eh nichts von Wert dabei (meine Kamera ist Ramschware, das ist sicherlich manchmal ersichtlich).

Die Stadt war interessanterweise vollkommen ausgestorben; selbst sämtliche Restaurants, Fast-Food-Ketten, Cafés und Banken waren verriegelt. Das gab dem Zentrum, mit den beeindruckend hohen Gebäuden, einen seltsamen geisterhaften Anstrich.

Am Tag der Abreise setzte ich einen langen Traum und ging bei den halsbrecherischen Wellen an Rios Stränden unter Anleitung surfen. Da ich seit einer Weile von dem Auf und Ab der Meere hochgradig fasziniert bin, war ich ganz in meinem Element.

Schweren Herzens reiste ich am 06. Juli nach Sao Paulo weiter.

Anmerkung: Artikel ist noch nicht 100%ig fertig, es fehlen noch ein paar Bilder von der Stadt.

2 Kommentare:

  1. Hallo Markus, hier is Gisbert, ich hab deine Mailadresse nicht mehr und weiß du bist wieder da, würd gern mal über deine Reise reden und mit dir n Bierchen heben. Meld dich mal ;)

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