Donnerstag, 10. Mai 2012

Wilnius


07. Mai. 2012 abends – 09. Mai 2012 morgens

Nach dem Tag an der Wolfsschanze fuhren wir schnurstracks über die polnisch-litauische Grenze und
erreichten somit zum ersten Mal in unserem Leben die baltischen Staaten. Das erste was einem an
Litauen auffällt ist die Sprache. Das Litauische und Lettische sind die einzigen beiden Überlebenden
eines eigenen Sprachzweigs, dem der baltischen Sprachen. Die Esten haben eine Sprache, die man
eher dem finnisch-ugrischen Zweig zurechnet. So waren denn Versuche, die Sprache mittels des
Lonely Planets Phrasebook for Eastern Europe zu erlernen, nur teils von Erfolg gekrönt. „Mano vardas
yra Marcus“. Verwandtschaften mit unserer Sprache? Fast Null. Das war im Polnischen übrigens fast
genauso. Da sagt man „Nazivam sie Marcus“.

Die zweite Auffälligkeit in Litauen: 2/3 der Fahrzeuge waren LKWs. Dadurch gab es einige Ereignisse,
bei denen wir auf einer einspurigen Straße links von einem LKW überholt wurden (sagte ich bereits,
dass unser Bus schon etwas älter ist?), welcher wiederum noch weiter links von einem PKW überholt
wurde. Und dann kam auch noch manchmal der Gegenverkehr dazu. Glücklicherweise gibt es breite
Ausweichstreifen!

So kamen wir in die Hauptstadt Vilnius, dem Herzstück des Landes. Laut Lonely Planet hat es die
größte barocke Altstadt Europas. Wir wurden von einer Bekannten aus Spanien empfangen (mit
Namen Indre), die uns ein Paket in die Hand drückte, das aus zwei Stadtkarten, einer Rabattkarte und
den schon festgezurrten Plänen für den nächsten Tag bestanden. Dazu gehörten eine alternative
Stadtführung (Trinkgeld-basiert), eine kleine Privattour mit ihr selbst und ein Schlafplatz für die
nächste Nacht bei einer Couch-Surferin.

Kai und ich schauten uns am Abend noch ein wenig die Stadt an und trollten uns dann zurück zu
unserem Bus.

Nächster Morgen. Eine solche Reise ist manchmal dramatisch, weil man von Dingen Abschied
nehmen muss, die einem viel bedeutet haben. Man wird sich so vertraut… und plötzlich ist es weg!
Beim Schreiben dieser Zeilen kann ich einen Schluchzer nur kaum unterdrücken. Mir fehlen die
Worte, aber… Mein rechter Schuh ist weg! Offensichtlich ist er des Nachts aus unserer Schiebetür
herausgefallen und irgendein Göppel hatte nichts Besseres zu tun, als den Schuh wegzuräumen. Jetzt
besitze ich nur noch einen linken. Das ist insofern tatsächlich ein Problem, als dass der Schuh ideal
für meinen immer noch angeschwollenen Gichtfuß war. Jetzt quäle ich mich mit viel zu engen
Turnschuhen. Damn that!

Danach haben wir eine alternative Stadtführung mitgemacht. Diese war wie immer wunderbar und
offenbarte viele Details zur Stadt, von denen der doofe Lonely Planet nicht einmal eine einzige Zeile
zu verliert. So gibt es innerhalb der Stadt eine eigene Republik namens Uzupio (was „anderes Ufer“
bedeutet, da es auf der anderen Flussseite liegt), von der man sich sogar per Stempel Visa-Einträge in
den Pass machen kann. Davon hat unter anderem schon der Dalai Lama Gebrauch gemacht. Letztlich
ist dieses Viertel ein ehemals runtergekommener und gemiedener Stadtteil, der von vielen Künstlern
für sich entdeckt wurde. Dadurch sieht man an allen Ecken und Enden schöne, künstlerische Dinge.

Wer einen Eindruck haben möchte, schaue sich die folgenden Bilder an:

Eingang zur Republik

Im Hintergrund ist eine nur sehr spärlich gekleidete Nixe zu sein. Die Legende besagt, dass wer in ihren Bann kommt, Uzupio nie wieder verlassen können wird.

Wer das wohl ist? Richtig! Backpacker-Jesus! Und das ist keine freie Interpretation, sondern soll wirklich Jesus mit einem Rucksack darstellen.

eine typische Waschmaschine

Die Verfassung der Republik auf Deutsch

Persisch, Norwegisch und viele weitere inklusive

Die Portraetierung eines etwas anderen Künstlers

Nach einem avantgardistischen Künstler benannte Straße

In der Verfassung wird festgehalten wie wichtig des Menschen besten Freunde sind, vor allem
Katzen und Hunde. Mit der rechten Katze wird ein langjähriger Bewohner des Viertels charakterisiert,
mit der linken ein neu hinzugezogener (posh, yuppie). Der Hintergrund des linken Bildes ist, dass das
Viertel als zunehmend un-alternativ bezeichnet wird, weil viele reiche Leute es als schick empfinden
in dem Viertel eine der überteuerten Wohnungen zu kaufen.

Ein Künstler wollte diesen Turm erwerben um dort drinnen zu wohnen. Dann stellte er fest, dass aus Denkmalschutzgründen eine Wohnbarmachung des Turmes fast unmöglich ist. Daher signalisiert der Turm schon seit vielen Jahren „PARDUODAMA“ an alle Passanten, aber der arme Turm ist immer noch allein…

Hmmm... Makaber? Oder Suess?

Mitten im Wald? Falsch, wir sind mitten in der Stadt und klettern gerade einen Hügel hinauf…

…, auf dem ein heruntergekommener Turm steht, …

…, von dem aus man einen wunderbaren Überblick über die Stadt hat (hier mit unserer Free Walking Tour – Gruppe)

Die Literatengasse:

ein Ort voller kleiner Kunstwerke unterschiedlichster Künstler.

Unsere Gruppe beim kenntnisreichen Bestaunen der Literatengasse

´s up, Snoop Doggy Dog?

Nach der Tour aßen wir typisch Litauisch in einem Restaurant: Zeppeliny. Es handelt sich um einen
sehr kloß-ähnlichen Teig, der wahlweise mit Käse oder mit Hackfleischklopsen gefüllt wird, und über
den man dann unterschiedlichste Arten von fettigen Saucen streut. Dazu ein bitteres Getränk, das
aus Brot(!) hergestellt wird. Ich habe mir das Wort „Kwas“ gemerkt, auch wenn das eigentliche
litauische Wort anders ist. (Edit: Wikipedia weiß alles: Gira heißt es in Litauen). Restaurantkritiker
Blank sagte: „Interestiiiiing“. So wirklich lecker war es nicht. Viel lieber hätte ich ja das litauische Bier
probiert, aber das ist bei Gicht leider streng untersagt. Oh du grausame Welt.

Unter Ausnutzung meiner gesamten Disziplin und dem meisterhaften Beherrschen meiner nicht
ausgleitenden Gesichtszüge brachte ich es zustande das gesamte Glas Kwas zu verzehren. Meine
Bekannte aus Spanien Indre war bereits zu uns gestoßen und so machten wir nach der vorherigen
alternativen Tour eine etwas klassischere, bei der wir die klassischen Gebäude der Altstadt
betrachteten.

Die Stadt ist voll von gotischer und barocker Architektur („größte barocke Altstadt Europas“)

Ausblick über die Stadt von einer Festung aus


Die Kathedrale

Was wir hier wohl sehen? Ich bezweifle, dass das jemand errät. Links ist die Aula derUniversität (eigentlich eine Kirche), der Turm ist begehbar und rechts neben dem Turm steht die Mensa für die Philologen. Welch Protz in dieser 450 Jahre alten Universität!

Einer der 13 wunderschönen Innengärten der Universität. Interessanterweise muss man fürden Zutritt zur Universität sogar zahlen, weil das alles so sehenswert ist. Falls man wie ein Student aussieht, dann wird man jedoch nicht behelligt.

Zugang zu den Lehr-Räumen der Philologie – Wahnsinn!


Und abschließend noch ein Bild, welches das Stadtleben von Vilnius gut charakterisiert:

Wahnsinn wie schoen die Natur zum Teil auch innerhalb der Stadt ist!


Im Anschluss an die Stadtführung kontaktierten wir Akwila (die litauischen Namen klingen alle etwas
unvertraut). Sie war die Freundin einer Freundin von Indre und eine „begeisterte Couchsurferin“,
zumindest wurde uns das mitgeteilt. Keinesfalls wäre dieser Ausdruck übertrieben. Und was sie nicht
alles für uns gemacht hat.

Nach der Ankunft wartet eine typisch litauische Rote-Beete-Suppe auf uns. Inhalt: saure Milch (Kefirähnlich), Dill, rote Beete und noch ein paar weitere Zutaten. Superlecker! Dazu gabs Rosmarin-
Kartoffeln. Als wir unser Zeugs aus dem Auto holen wollten, wies sie uns darauf hin, dass wir
unbedingt ihre Handtücher benutzen müssten. Na gut. Eine große Couch inkl. Einer Riesendecke und
Kopfkissen in einem eigenen Zimmer hatte sie auch parat. Abends ging sie mit uns in eine typisch
litauische Bar und zum Morgen gab es in Milch gekochte Haferflocken mit Joghurt und frischen
Himbeeren. Zu allem Überfluss noch einen Haufen Informationen über die Stadt und viel viel Zeit.
Wow! Wer das Couchsurfing-Prinzip nicht kennt, dem sei nur folgendes gesagt: Irgendwelche
Menschen nehmen ihnen Fremde kostenlos in ihrer Wohnung auf und zeigen ihnen idealerweise die
Stadt. Ich wiederhole: kostenlos!

Am nächsten Morgen verbrachten wir ein wenig Zeit damit einen behandelnden Arzt für meinen
dicken Fuß zu finden. „Wir nehmen keine Ausländer.“ „Wir haben gerade keinen Experten dafür da.
Herr Blank muss sich Medikamente von seinem Arzt in Deutschland verschreiben lassen.“ What the
fuck? Nun gut, mit einer Auslandskrankenversicherung werden einem glücklicherweise auch Kosten
bei privaten Krankenhauesern erstattet.

War da, hab Medikamente bekommen und 24 Stunden später war die Schwellung auch (endlich)
ganz annehmbar zurückgegangen. Kann fast wieder normal laufen und dadurch…

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