Donnerstag, 17. Mai 2012

Nationalparks Polens


11. Mai bis 15. Mai – Nationalparks

Manchmal möchte man alle lästigen menschgemachten Umgebungsgeräusche ausschalten und mit jedem einzelnen  Sinn aufmerksam dem Spiel der Natur folgen. Denn es handelt sich um das beeindruckendste aller Spiele. Zu dem Leidwesen aller (Menschen, Tiere, Pflanzen) rückt die Bestrebung, dass wir auf unsere Umgebung achten, immer weiter in den Hintergrund. Wie häufig sitzen wir an einem schönen lauen Abend vor einer Flimmerkiste und verpassen jene besonderen Augenblicke?

Augenblicke wie jenen, von dem ich euch jetzt berichten werde.

Kai und ich reisten am 11. Mai früh morgens in Riga ab. Unser Ziel war es, in einem Ritt bis in Polens Nationalparks zu reisen. Von jenen hatten wir in einer „Geo Spezial“, die zum Teil wunderbare Länder-Specials mit vielen Insider-Informationen herausbringt, erfahren. In  Nordost-Polen gibt es vier Nationalparks an der Zahl. Der größte ordnet sich um einen Fluss an, der Biebrza heißt. Der bekannteste befindet sich nahe an der weißrussischen Grenze und heißt Bielowiza. In ihm streifen Wisentherden wild herum, eine Tierart, die Anfang des Jahrhunderts bis auf ein paar Zoo-Exemplare ausgestorben war. Wir jedoch entschieden uns für den kleinsten, eigenartigsten und nordöstlichen der Parks: jenen um den See Wigry herum. (PS: dann gab es da noch „den anderen“, auf den in der Geo nicht eingegangen wurde. „Den anderen“ haben wir leider ausgelassen. Das werde ich mein Lebtag nicht verarbeiten können!)

Seltsam ist Wigry deswegen, weil der Nationalpark zum Teil zivilisatorisch erschlossen ist. So kampierten wir auf einer Halbinsel, auf der ein altes Kloster zu einer alternativen Pensions-Anlage umfunktioniert war. Etwas weiter abgelegen gab es auch einen Camping-Platz. Weil dieser wunderschön gelegen war und wir quasi direkt am Wasser parken konnten und unsere eigene Badestelle direkt um die Ecke hatten, war die Entscheidung nicht schwer gefallen.

Campingplatz. Schatten? Check! Am Wasser? Check! Wunderschöne Aussicht? Check! Gutes Wetter? Check!

Aussicht hinter unserem Auto

Kai und ich am Wasser

Friede sei mit dir!

Die Klosterkirche ist im Hintergrund sichtbar.

Ein nachdenklicher Kai im Vordergrund der Klosterkirche

Mönchsquartiere? Ehemals. Heutzutage: Pensionszimmer.



Da war die Umgebung interessanter als die Kamera…


Wir gingen baden und lernten danach alle Camping-Gäste kennen. Dazu gehörten neben den Besitzern und einem ihrer Bekannten dann nur noch eine weitere Person, die „System of a Down“ auf ihrer E-Gitarre spielte. System of a Down ist eine Rockband (vereinfacht ausgedrückt), die ich schon immer absolut genial fand. Dadurch hatte der 17-jährige Tomek auch gleich ein Stein im Brett bei mir. Das brauchte er auch. Mit seinen etwas verqueren satanischen Ansichten und seinem Hang zur Übertreibung wurde er mir nach einiger Zeit unsympathisch. („Ich habe letztens dort oben ein UFO gesehen. Es war schon das zweite Mal. Es war ein großes brennendes Kreuz.“ „Hier, probiert den selbstgemachten Wodka meines Nachbarn. Er hat ungefähr 80-90%.“ u. Ä.)

Während der Nacht wurden wir mit ihm jedoch Zeuge dieser etwa einstündigen märchenhaften Szene, bei der ich mir des Öfteren wünschte, er möge doch einfach mal die Gusche halten.
Spätabends hatte sich westlich eine gewaltige dunkle Wolkenfront aufgebaut. Die Blitze durchzuckten immer häufiger den nächtlichen Himmel. Wir rechneten damit, dass das Gewitter direkt auf uns zuziehen würde, doch es zeigte Gnade und wütete recht bald im Norden. Wir begaben uns direkt an den traumhaft schönen See um dem Naturtreiben zuzusehen. Welch Anblick! Recht bald bemerkte man, wie es auch wieder hinter uns (also im Süden) blitzte, als wäre Heidi Klum beim Catwalk-Abschreiten während einer wichtigen Großveranstaltung auf die Nase gefallen und würde jetzt von allen Boulevard-Fotografen dieser Welt umlagert werden. Das schönste von allen jedoch – war der Himmel direkt über uns! Vollkommen unbeeindruckt von den Geschehnissen um ihn herum erstrahlte er in hellster Sternenpracht und gab einen Eindruck davon, wie schön ein Sternenhimmel in der Wüste sein muss. Das Zusammenspiel aus dunkler Nacht, erleuchtetem Himmelsdach, kühlem See und blitzendem Horizont vor und hinter einem – das ist vielleicht ein Moment, wie ich ihn nie wieder in meinem Leben erleben werde. Es war einzigartig.

Ein solches Erlebnis ist unmöglich mit der Kamera festzuhalten. Dazu war es viel zu dunkel. Ich kann mich also nur auf meine Erinnerung verlassen. Und es kribbelt immer noch am ganzen Körper wenn ich mich in die Szenerie zurückdenke.

Am nächsten Tag war recht schlechtes Wetter. Wir blieben daher am Campingplatz in Wigry. Zum Abend hin haben wir noch eine kleine Wanderung unternommen. Ein paar Eindrücke:

Ein Boot, das schon viele Dutzend Jahre auf dem Buckel hat und ganz friedlich vor sich hinrostet, stand mitten am Wegesrand.


Wahrlich ein wunderschönes Haus mit eigenem Privatsee.

Ich wollte zwar eigentlich nie auf dem Land wohnen. Aber in diesem Haus… Hach…


Überall standen in den Nationalparks Boote, deren Böden tief mit Wasser bedeckt waren. Offensichtlich stehen sie schon seit vielen Jahren unbenutzt durch. Glücklichweise hat sich Käpt’n Kai des Bootes erbarmt.



Am 13. Mai fuhren wir morgens zum nächsten Nationalpark, der etwas weiter südlich liegt. Er heißt Biebrza Nationalpark und ist ein Wallfahrtsort für Ornithologen, da es über 200 unterschiedliche Vogelarten gibt, die hier brüten.

Bei der Bleibe hatten wir Glück. Im Ort Dolistowo folgten wir einem Camping-Schild zu einem kleinen Privatcampingplatz, der vom Hausbesitzer Mirek geleitet wurde. Er war sehr freundlich und gab uns viele Informationen zu dem Naturschutzgebiet, in dem wir uns befanden.
Da man bei ihm sowohl Fahrräder als auch Kajaks ausleihen konnte, ergriffen wir die Gelegenheit beim Schopfe und machten an den beiden Tagen in Biebrza zwei Outdoor-Touren. Ohne weiteres Trara folgen die Bilder.





Der Campingplatz. Letztlich war es ein Wohnhaus mit einem recht großen Grundstück und mehreren anliegenden Schuppen. Mirek kam vor etwa 20 Jahren zu seinem Job als Campingplatz-Betreiber. Damals kamen Ornithologen zu dem ansehnlichen Haus seiner Eltern, in der Hoffnung eine Übernachtungsmöglichkeit zu finden. Hotels, „freie Zimmer“ oder Ähnliches gab es in der damaligen Zeit noch nicht. Da Mirek Umweltschutz studiert hatte, kannte er sich in der Region natürlich sehr gut aus, aber es gab durch seine mangelnden Deutschkenntnissen große Verständigungsschwierigkeiten. Im Laufe der nächsten Jahre kamen immer mehr Touristen zu ihm, darunter sehr viele deutschsprachige Naturliebhaber. Sie strömten in einer solchen Zahl zu ihm, dass er heute davon leben kann. Er erzählte uns viel über die einzelnen Vogelarten, aber leider konnten wir ihm in den meisten Dingen unmöglich folgen.

Kai. Auf dem Fahrrad. In Polen.



Im Sumpfgebiet. Ich fotografiere Kai.
Im Sumpfgebiet. Kai fotografiert mich. Naja, vielleicht auch eher die Blume…
Im Sumpfgebiet. Kai fotografiert uns.


Und jetzt folgen die Bilder zu unserer Paddeltour:






Werft die Leinen los!

Auf hoher See.

Auf hoher See. Die zweite.

Bedrohliche Schleuse. Gleich fließen hier ein paar Hunderttausend Liter Wasser hinein. Ob das gut ausgeht?

Ich bin zuversichtlich.

Und tatsächlich. Unser Boot ist immer noch oben auf!




Blick von der Kapitänskajüte aus



Sagt mal, paddelt der Kai denn eigentlich auch mal?


Wir sahen sehr viele Schwäne aus nächster Nähe.

Hier sieht man wie der Schwan abflugbereit ist.

Ein wunderschönes Tier. Interessanterweise…

…rennt der Schwan auf dem Wasser und gibt dabei ein sehr mechanisch wirkendes Geräusch von sich.

Teilweise legen die Schwäne auf dem Wasser…

…große Distanzen zurück.

Hier mal eine komplette Abfolge des Abflugs.






Anfangs haben wir einen einzelnen Schwan flussaufwärts getrieben. Fünf Minuten später verweilten dann zwei Schwäne vor uns, die wiederum der „Bedrohung“ durch uns auswichen. Irgendwann hatten wir dann eine ganze Versammlung von Schwänen.



„Nächster Halt – Bielowieza.“ Bielowieza ist ein sehr bekannter Nationalpark und dadurch touristisch etwas besser erschlossen. Da wir erst spät ankamen, blieben wir vorerst auf unserem Campingplatz. Es war leergefegt wie immer, abgesehen von – wer hätt’s gedacht – Holländern! Alt. Wie gehabt. Aber plötzlich kam ein Auto mit Franzosen. Jungen Franzosen. Die sich sofort auf ihre Veranda setzten und ein Bier tranken. Diese Chance konnten wir uns nicht entgehen lassen und so hatten wir für den Abend nette Gesprächspartner gefunden.

Während Kai und ich uns den ganzen Abend ein Bier geteilt haben, holten die Franzosen ein ums andere Bier aus dem Kofferraum.

Am nächsten Morgen gingen wir zur Touristeninformation. Der Bielowieza-Nationalpark ist sehr groß, aber es gibt einen Teil der als „Strenges Gebiet Bielowieza“ bezeichnet. Nein, ich habe nicht „streng geheim“ geschrieben. Die Area 51 befindet sich woanders. Aber es ist ein innerer Abschnitt des 1700 km² großen Gebietes, der zum Unesco Kulturerbe gezählt wird. Bielowieza wird manchmal als „letzter Urwald Europas“ bezeichnet und beherbergt den in der Wildbahn 1927 ausgestorbenen Wisent. In Bielowieza hat man es geschafft, mit Hilfe von 12 weltweit verbliebenen Zoo-Exemplaren eine neue Generation Wisente an die Natur zu gewöhnen und letztlich wieder in die Wildnis zu entlassen.

Da ihr euch vorstellen könnt, dass es nicht unbedingt förderlich wäre, wenn eine Fast-Food-fressende Großfamilie ihr wöchentliches Familienpicknick direkt in der Brutstätte der Wisente zelebriert, kann man diesen Teil nur mit einem Führer betreten. Diese Möglichkeit blieb uns leider verwehrt, da man sich nicht kurzfristig einer Gruppe anschließen konnte. Schade!
Diese Art von Straßenschildern gibt es garantiert nur in diesem Teil der Welt.
An Stelle dessen gingen wir jeweils zwei sogenannte „Bildungspfade“ entlang. Dort waren in einem Abstand von einigen Hundert Metern Tafeln auf Polnisch und Englisch aufgestellt, die Informationen zu den verschiedenen Baumarten des Nationalparks gaben. Dadurch wurde uns ein weiteres Mal bewusst, wie wenig wir – bedauerlicherweise – über die Natur Bescheid wissen.
Hinweistafel 

Viele Erklärungen waren für uns auch kaum hilfreich, weil wir den entsprechenden englischen Begriff gar nicht einer deutschen Baumart zuordnen konnten. Da hilft wohl nur ein wenig Nachhilfe-Unterricht!
Der Hinweg, den wir durch den Wald gingen, war relativ unspektakulär. So etwas findet man in Deutschland an den richtigen Ecken in ähnlicher Form.



Der Rückweg ging jedoch durch sehr sumpfiges Gebiet. Der Weg war absolut naturbelassen, sodass man des Öfteren über den Weg versperrende Bäume klettern musste. Das erinnerte schon eher an Urwald! Es ist schade, dass man die Stimmung auf den Fotos kaum einfangen kann. Fahrt doch mal hin und überzeugt euch von dem von mir Beschriebenen!










Ein von Käfern in den Baumstamm gefressenes Muster. Künstlerisch wertvoll!

Wahnsinn, wie groß das Wurzelwerk eines umgestürzten mittelgroßen Baumes ist.


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